Medienkunstpreis Oberrhein: Die Preisträger

Leo Hofmann Für sein Stück "Flugschreiber- Choreografie für Tastatur" wurde Leo Hofmann mit dem Medienkunstpreis Oberrhein ausgezeichnet. Das Stück verbindet vorhergehende Arbeiten miteinander. Als Grundlage dient seine im Rahmen einer Masterclass mit dem Komponisten Helmut Oehring entstandene Arbeit "Sticht es oder pocht es?". Bei der Re-Inszenierung des Stückes bringt Hofmann nun ein neues Medium zum Einsatz: die Tastatur. Vorgeblich bildet sie ein definiertes System, doch für das Stück hat er die Tasten programmiert, anders belegt. Choreografie für Tastatur heißt der Flugschreiber im Untertitel, Bewegungen sind in die Tastatur eingeschrieben, die wiederum das ursprüngliche Hörstück manipulieren. Natürlich sind es Hände, die die Choreografie zum Leben erwecken. Sie führen einen faszinierenden Tanz auf, inszenieren wie ein Erkenntnistier eine Jagd nach des Rätsels Lösung: Pocht es, oder sticht es? Es kribbelt beim Zusehen. Erstaunlich. Es sind die Hände des Komponisten.
(Joachim Schneider, artline>magazin)

Video unter: www.leohofmann.com/arbeiten/flugschreiber/
Zum Künstler: www.leohofmann.com

Reinhard Klessinger Um visuelle und taktile Wahrnehmung gleichermaßen geht es im Video "Bildabwehr" des Preisträgers Reinhard Klessinger. Der Künstler im Nahkampf mit einer Videokamera, die er auf Brusthöhe an einer Schaukel befestigt und angestoßen hat: Einem Boxer und Kung-Fu-Kämpfer gleich setzt er sich gegen die auf ihn zu schwingende Kamera zur Wehr: mit schützend erhobenen Armen, mit blitzschnellen Ausweichbewegungen des ganzen Körpers. Die im chaotischen Schwenk der Kamera unscharfen Bilder liefert das den Künstler attackierende Gerät selbst, das zum Sinnbild ausufernder Videoüberwachung und gleichzeitig zum symbolischen Statthalter der medialen Bilderflut wird. Am Schluss geht Klessinger, erschöpft und keuchend, zu Boden; den Kampf gegen das Imperium namens neue Medien, so scheint es, kann man nur verlieren.
(Hans-Dieter Fronz für die Badische Zeitung, 13. März 2013)

Zum Künstler: www.galerie-rehberg.de/html/klessinger.html

Irene Schüller Irene Schüllers ausgezeichnete Videoarbeit "Verknotungen" wurde im Herbst 2010 im Rahmen des Freiburger Medienkunstprojekts "20_minutes_of_attention" erstmals der Öffentlichkeit präsentiert. Zu sehen sind mehrere nackte Frauenbeine, die sich über- und untereinander bewegen. Durch Zeitraffer wurde der Bildgegenstand jedoch verfremdet, wodurch die witzig-absurden Verknotungsversuche manchmal eine eigentümliche Dynamik ins Düstere entwickeln. Das geschehe häufig in ihren Arbeiten, erklärt die Künstlerin, plötzlich sei neben der eigentlichen Absicht eine morbide Komponente im Bild. Für Verknotung_1 setzte die Künstlerin erstmals andere Personen ein, während sie zuvor immer selbst Protagonistin ihrer performativen Videoarbeiten war.
(Ivonne Ziegele, artline>Magazin)

Videos unter: www.irene-schueller.de/videokunst.html
Zur Künstlerin: www.irene-schueller.de

Marco Schuler Marco Schuler wurde für seine "Burgvideos" mit dem Medienkunstpreis Oberrhein ausgezeichnet. Immer geht Schuler an seine Grenzen. Auch in seinen "Burgvideos" (2009) stellt er wieder existentielle Handlungsmodelle in einen selbstironischen, fast tragisch anmutenden Kontext aus geschichtlichen und philosophischen Anspielungen und Verweisen auf Hoch- und Subkultur. Diese künstlerische Stringenz und das Spiel zwischen Inszenierung und Banalität überzeugte die Jury. Ausgangspunkt ist dabei oft der eigene Körper des Künstlers, den er - per Video dokumentiert - zur Bewältigung absurdester Aufgaben zwingt oder als Passform für skulpturale Arbeiten nutzt, in denen sich Witz, Wahnsinn und Bedrohung in einem prekären Gleichgewicht halten.
(Auszug aus der Stellungnahme der Jury 2009)

Videos unter: www.marcoschuler.net/video.html
Zum Künstler: www.marcoschuler.net

Andreas Lorenschat Andreas Lorenschats Arbeiten befassen sich, oft mit einem ironischen Unterton, mit formalästhetischen Fragen. Die ausgezeichnete Videoinstallation "Das Polarhaus" zeigt auf den ersten Blick eine Kamerafahrt durch das ewige Eis, dann erkennt man, dass sie ein Papiermodell abtastet. Unsere Vorstellung von Welt ersetzt die Wirklichkeit.
(Auszug aus der Stellungnahme der Jury 2008)

Filmstills unter: www.lorenschat.com/al/video/polarhaus/polarhaus.html
Zum Künstler: www.lorenschat.com

Eva Schmeckenbecher Eva Schmeckenbecher beschäftigt sich auch mit dem Problem der Wahrnehmung. So löst sie Bilder aus dem alltäglichen Kontext auf, löscht einzelne Elemente, zerteilt, isoliert und verlangsamt so den Sehprozess und fokussiert den Blick auf die Autonomie der Form. Für das beim Medienkunstpreis Oberrhein ausgezeichnete Video " Im Vorhang" hat sie ein Gardinenmuster vervielfältigt und animiert.
(Auszug aus der Stellungnahme der Jury 2008)

Video unter: www.youtube.com/watch?v=XCmvh1QtObM
Zur Künstlerin: www.eva-schmeckenbecher.de

Hansjörg Palm Hansjörg Palm hat ein Faible für Fußklamotten. Dabei geht es ihm, auch in dem beim Medienkunstpreis Oberrhein ausgezeichneten Video "Ich habe die Nacht gesehen", in erster Linie gar nicht um dieselben. Sie sind nur ein Medium, dessen er sich vorzugsweise bedient - spielerisch und nicht ohne Witz und Humor. Schuhe werden zu Objekten, die Geschichten erzählen. Und diese wiederum bindet Palm "laufend" ein in seine eigenen künstlerischen Geschichten und transformiert sie in neue interaktive prozessästhetische Zusammenhänge. Bei Palm heißt es Rätselraten, die Zusammengehörigkeit von Wahrnehmung und Begriff, das Verhältnis von Bildern und Codes entschlüsseln. Es gilt Wahrnehmungsbilder und begriffliche Codes zusammenzuführen. Der Betrachter nähert sich mit jedem gedanklichen Schritt diesen individuellen Wirklichkeiten und wird an eigene Geschichten und Erfahrungen erinnert.
(Auszug aus der Beschreibung zur Vorführung bei 20_minutes_of_attention)

Video unter: https://www.youtube.com/watch?v=DcNcxATruww
Zum Künstler: www.artww.de/kunstraumfoth/bio_palm.htm

Stefanie Gerhardt Stefanie Gerhardt wurde für eine ihrer ersten Videoarbeiten mit dem Titel "Malmäuse" ausgezeichnet. Es handelt sich um eine ungewöhnliche Arbeit, in der eine formale Idee mit viel spielerischem Witz verbunden wird. Der streng geometrische Aufbau setzt sich aus 20 kleinen Bildformaten zusammen, die farblich unterlegt sind. Davor wird ein zweifarbiges Laufrad von Mäusen in Bewegung gehalten. Obwohl die Perspektive während der gesamten Videolänge nicht verändert wird, wirkt die Arbeit sehr dynamisch und zugleich durch die Kontraste der grellen Farbtöne Pink, Grün oder Rot und Violett malerisch. Unweigerlich starrt man wie gebannt auf die Mäuse (es sind natürlich die beiden eigenen der Familie Gerhardt), die sich hier scheinbar ohne jedes Ziel abmühen. Wenn der eine oder der andere angesichts der "Malmäuse" an die Existenz des Künstlers denken muss, liegt dies durchaus in der Intention von Stefanie Gerhardt.
(Annette Hoffmann, artline>magazin)

Video: www.stefanie-gerhardt.de/Arbeiten/Videos/Malmäuse
Zur Künstlerin: www.stefanie-gerhardt.de

Dorcas Müller Dorcas Müller schreibt über ihre eigene mit dem Medienkunstpreis Oberrhein ausgezeichneten Arbeit "Die Erschaffung des Neuros": In der Entwicklung der Neurochips haben Blutegel den Durchbruch gebracht. Peter Fromherz und seine Mitarbeiter vom Max-Planck-Institut in Martinsried/ München verpflanzten zu Beginn der 90er Jahre deren Nervenzellen auf einen eigens dafür konstruierten Mikrochip. Als Künstlerin vor Ort bin ich der freundliche Parasit, der den Wirt als der [das] exotische Fremde heimsucht. Mit Hilfe von Forschungsmaterial und der Ausstattung der Abteilung entstehen seit Mai 2001 fortlaufend Arbeiten. Die Differenz meiner mitgebrachten Vorstellungen und Wahrnehmungen erzeugt im performativen Video ein verändertes Bild des dortigen wissenschaftlichen Modells. Im Video sind die Komponenten "Chip - Blutegelhirnzelle - Mensch" in die unmittelbar zu erfahrende Welt übersetzt. Ein lebendiger Blutegel pumpt Information zwischen einem (echten) Neurochip und einer menschlichen Hand, doch die Verbindung ist nicht von Dauer.
(Dorcas Müller über ihre Arbeit auf netzspannung.org)

Video unter: www.dorcasmueller.de/works/creation_4.html
Zur Künstlerin: www.dorcasmueller.de